
Das sagt ein erfahrener Zugplanbeobachter
Ein schriftliches Interview mit Jochen Völlm
Wie gehen Sie bei der Zugplanbeobachtung vor:
Ich denke nicht, dass ich bei der Zugplanbeobachtung anders vorgehe als andere Beobachter. Das Schöne am Vogelzug bzw. an der Beobachtung dessen ist, dass man als Beobachter eigentlich gar nicht so viel zu tun braucht. Man muss nicht wie von der Tarantel gestochen über eine Hochseeinsel rennen, was sich im Herbst bei einigen Leuten großer Beliebtheit erfreut; man muss auch nicht am laufenden Band Feuchtgebiete abfahren und dabei zahllose Wasserflächen kontrollieren, nein.
...Man sucht lediglich den Platz seiner Wahl auf und wartet nur darauf welche Vögel so vorbeifliegen.
Ganz wichtig dabei ist die entsprechende Ausrüstung. Zu allererst möchte ich hier Fernglas und Spektiv erwähnen. Ohne optische Hilfsmittel könnte man nur einen Bruchteil des tatsächlichen Vogelzugs wahrnehmen. Man müsste sich allein auf sein Gehör und das bloße Auge verlassen bzw. beschränken, das würde keinen all zu großen Spaß bereiten. Des Weiteren können Tonaufnahmegerät und Fotokamera hilfreiche Gegenstände sein, wenn es darum geht besondere Momente festzuhalten oder Belege seltener Arten anzufertigen.
Außerdem sei an dieser Stelle die der Jahreszeit angepasste Kleidung und Ausstattung genannt. Hierbei sollten z.B. im Oktober und November nicht nur die oft erwähnten Handschuhe sowie grundsätzlich warme, sondern auch bei wärmeren Temperaturen und Sonnenschein im Spätsommer und Frühherbst dünne, lange Klamotten getragen sowie eine Kopfbedeckung und ggf. Sonnencreme mitgeführt werden. Geräuscharme Kleidung, welche beim Bewegen nicht schleift, raschelt o.ä. ist von Vorteil und stört weder einen selbst, noch mögliche Mitbeobachter beim Hören.
Hat man soweit alles vorbereitet und kann mit der Beobachtung beginnen, heißt es Konzentration, Fokus auf die Vögel, Fernglas vor die Augen und die Umgebung im Blick behalten. Spielt jetzt noch der Vogelzug mit, steht einem erfolgreichen Beobachtungstag nichts mehr im Wege.
Was macht eine gute Stelle zur Zugplanbeobachtung aus und kann man jene überall betreiben?
Grundsätzlich kann man überall Vogelzug erleben bzw. beobachten. Ob im Flachland, an der Küste, in Mittelgebirgsregionen, im Hochgebirge, über der Stadt, über der Wüste oder über dem Meer, Vogelzug findet überall statt. Selbst eine Lichtung im Wald, welche freien Blick in den Himmel ermöglicht, vermag einem den Blick auf dieses Schauspiel zu eröffnen.
Dementsprechend unkompliziert kann auch die Suche nach dem eigenen Beobachtungsplatz sein.
Im hügeligen Gelände sollte man sich selbstverständlich nicht unbedingt in eine Senke oder ein Tal stellen, sondern einen exponierteren Standort bevorzugen. Ein 360°-Rundumblick ist dabei gar nicht unbedingt nötig. Zu viel potentieller Raum, in welchem Vogelzug stattfinden kann, kann sogar für mehrere Beobachter am selben Beobachtungsplatz schnell zur Überforderung werden, sofern denn starker Zug herrscht.
Ein Platz mit freiem Blick nach Norden empfiehlt sich im Herbst, da die Hauptflugrichtung dann von Nordosten nach Südwesten verläuft und man die Vögel in etwa auf sich zufliegen sieht. Im Frühjahr hingegen, wo man ebenfalls Zugplanbeobachtung betreiben kann, sollte dementsprechend ein Platz mit offenem Blick nach Süden gewählt werden. Außerdem gilt: Je weiter der Horizont vor und der Himmel über einem, desto mehr Zeit bleibt dem Beobachter die Vögel zu entdecken bzw. zu bestimmen, was das Beispiel mit der Waldlichtung doch wieder ein wenig relativiert.
Manchmal geben auch vorhandende Geländestrukturen die Blickrichtung an einem Standort oder gar den optimalen Standort selbst vor. Hierzu kann es nicht schaden das Gelände lesen und sich den Vogelzug vorstellen zu können. Dies kann in seltenen Fällen sogar helfen sogenannte Verdichtungspunkte oder Leitlinienverläufe auszumachen, an welchen sich das Zuggeschehen konzentriert.
Ein größtmöglicher Abstand zu Lärmquellen wie z.B. großen, viel befahrenen Straßen kann nie schaden, ist aber auch nicht immer in vollem Umfang möglich. Hier muss man unter Umständen kompromissbereit sein, besonders in Ballungsräumen.
Will man Vogelzugbeobachtung öfters betreiben, ist es ratsam einen Standort in der näheren Umgebung zum eigenen Zuhause auszuwählen. Sei es der kleine Hügel am Ortsrand oder gar das Flachdach des hohen Wohnhausblocks in der Stadt - was funktioniert, das ist erlaubt!
Welche Tipps und Tricks haben Sie an Anfänger in der Zugvogelbeobachtung?
Grundsätzlich gilt das Motto: Jeder Vogel zählt.
Mit dieser Einstellung sollte man an die Sache herangehen. Gleichermaßen, und da muss man nun den Spagat schaffen, muss jedem Beobachter/jeder Beobachterin klar sein, dass man nicht jeden Vogel bestimmen und erst recht nicht jeden Vogel entdecken kann. Insofern ist das eingangs genannte Motto der Motor oder der Antrieb in Sachen Motivation und Arbeitsweise: Wie oft hebt man das Glas, wie intensiv sucht man ab, sitzt man oder steht man bei der Beobachtung usw.. ABER: Falscher Ehrgeiz, lachses Bestimmungsprozedere und unseriöse Zählweisen hingegen sollten absolut tabu sein.
Das heißt: Wenn man sich nicht sicher ist, wird der Vogel nicht gezählt, ganz besonders dann, wenn es sich um besonderere Arten handelt. Außerdem defensives Vorgehen beim Zählen und Schätzen. Das Auszählen von Trupps auf Fotos kann helfen sich diesbezüglich immer wieder zu eichen.
Um überhaupt einmal zu erleben wie es bei der Vogelzugbeobachtung so abgeht und um ein Gespür dafür zu bekommen wie man Vögel als ziehend anspricht, ist es sinnvoll anfangs von erfahrenen Beobachtern zu lernen und nicht alleine draußen zu stehen. Ebenso ist ein gewisses Grundmaß an Erfahrung im Bereich Ornithologie vorausgesetzt. Weiß man z.B., dass im Oktober/November keine Wespenbussarde mehr zu erwarten sind, kommt man auch nicht auf die Idee zu besagter Jahreszeit leichtfertig einen durchziehenden Bussard als solchen zu bestimmen, auch wenn dieser im ersten Moment vielleicht danach aussieht. Man braucht sich zudem keine Gedanken darüber zu machen wie Schwirle, Rohrsänger, Grasmücken u.v.a. im Streckenflug aussehen könnten, da viele Vogelarten ausschließlich in der Nacht ziehen und am Tag höchstens rastend zu entdecken sind.
Auf welche “Highlights” - seien es schöne Momente oder auch besondere Vögel - blicken sie besonders gerne zurück?
Das ist tatsächlich gar nicht so einfach. Ein schöner Zugtag, der bereits morgens mit herrlichem Licht- und Wolkenspiel beginnt, vermag einen regelrecht zu verzaubern. Ganz egal ob schon im August oder im November, die Stimmung macht die Musik. Diese Stimmungen, gepaart mit dem richtigen Zug, welchen man sich oftmals schon zu Beginn eines solchen Beobachtungstages ausmalen kann, sind einfach nur sensationell.
Auch in Buchfinken unterzugehen, weil sie in Zehntausenden über einen hereinbrechen, kann ein Erlebnis sondergleichen sein. Ebenso ein Trupp Silberreiher, der über eine in Raureif gehüllte, spätherbstliche Landschaft zieht oder ein einsamer Ruf einer Limikole, welcher die Stille des Moments durchdringt und den Menschen in seinem Inneren berührt. So entsteht Leidenschaft.
In Sachen besondere Arten und Seltenheiten könnte ich Vieles aufzählen, weswegen sich festzulegen schwer fällt. Zu den Top-Arten zählen sicherlich Kaiseradler, Waldpieper, Fahlsegler, Kiefernkreuzschnabel, Odinshühnchen, Gleitaar, Schlangenadler, Adlerbussard, Sichler, Raubseeschwalbe, Austernfischer, Spornammer uvm.
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